„Unsere Demokratie in Deutschland steht heute vor einer wichtigen Weichenstellung, ob wir die rechtsextremen Kräfte im Griff behalten.“ Mit diesen mahnenden Worten beantwortete der frühere NRW-Innenminister Dr. Fritz Behrens die Frage: „Ist unsere Demokratie in Gefahr?“ Auf einer Diskussionsveranstaltung der SPD Korschenbroich appellierte er an „die Demokratinnen und Demokraten, sich zu engagieren und den Feinden der Demokratie keine Chance zu lassen.“

Behrens plädierte für „eine wehrhafte Demokratie“ und sieht gute Gründe für die Einleitung eines AFD-Verbotsverfahrens durch den Bundestag oder die Bundesregierung, um die von den Rechtsextremisten geplante Zerstörung der Demokratie zu verhindern. Als Beleg hierfür las er ein Zitat des früheren FDP-Bundesinnenministers Gerhard Baum zur AFD vor: „Ähnlich wie heute wollten 1933 viele Wähler nur ihren Protest ausdrücken…Das sind Verfassungsfeinde und keine Sektierer.“ Behrens erinnerte jedoch auch daran, dass 2003 und 2017 zwei NPD-Verbotsverfahren vor dem BVG-Gericht „für alle völlig überraschend“ gescheitert sind. „Daher kommt heute die zögerliche Haltung bei der Diskussion über ein AFD-Verbotsverfahren.“
Der frühere NRW-Innenminister setzt sich auch für politische Betätigungsverbote von Verfassungsfeinden wie dem AFD-Politiker Höcke ein, um „Flagge zu zeigen“. Er sprach auch die Möglichkeit eines Verbotes der rechtsextremen Jugendorganisation der AFD „Junge Alternative“ (JA) an. Bei der JA handelt es sich laut Satzung um einen Verein, den Bundesinnenministerin Nancy Faeser verbieten kann. „Ein Vereinsverbot könnte wesentlich schneller und einfacher vonstatten gehen als ein Verbot der AFD.“

Mit „ großen Sorgen“ blickt Behrens auf die heutige weltpolitischen Lage und den zunehmenden Nationalismus in der Welt und auch in Europa. Es kommen immer mehr Nationalisten an die Macht. Europa ist ein unvergleichliches Friedenswerk. Wenn das bröckelt, dann hat auch Deutschland als Nation gegen die großen Völker in der Welt keine Chance. Nur gemeinsam können wir in Europa etwas erreichen.“
In der lebhaften Diskussion mit den zahlreichen Gästen machte Behrens beim Thema Migration deutlich: „Viele Unternehmen suchen händeringend Personal. Wir brauchen zusätzliche Arbeitskräfte aus dem Ausland.“ Leider mache Deutschland es den Menschen, die wir brauchen und die zu uns kommen wollen, schwer. Einigkeit bestand darin, dass die Flüchtlinge, die schon hier sind, ausgebildet und besser integriert werden müssen. In diesem Zusammenhang forderte ein Gast mehr Initiative der Behörden bei der Suche von Wohnungen für Flüchtlinge. Gleichzeitig plädierten alle dafür, die bestehenden Gesetze zum Asylrecht konsequent umzusetzen.

Auch auf die Frage vom Moderator Burkhard Freier „Wie kann die Politik das Vertrauen der Menschen in die Demokratie wieder herstellen?“ hatte Behrens eine Antwort parat: „Das wichtigste ist Glaubwürdigkeit - Wort halten. Wir müssen den Menschen das Gefühl geben, dass wir ihnen zuhören und dass wir sie ernst- und wahrnehmen.“ Gleichzeitig machte der frühere Innenminister auf das Problem aufmerksam, dass im Internet immer mehr Falschmeldungen über die Politik verbreitet werden. „Putins Geheimdienste und andere wollen die Meinungen der Menschen manipulieren.“ Deshalb werde Medienkompetenz heute immer wichtiger.
Große Schwierigkeiten identifiziert der ehemalige Innenminister in der Zersplitterung der Parlamente: „Dabei auf einen Nenner zu kommen, ohne dass es nach außen wie Dissonanz wirkt, ist ein großes Problem – auch medial.“
Behrens wünscht sich für die Politik wieder mehr Besonnenheit: „Es ist heute fast unmöglich geworden, irgendetwas in Ruhe zu beraten und auszudiskutieren – und dann zu entscheiden. Das war zu meiner Zeit besser.“

Politischer Werdegang
Spannende Einblicke in die „große Politik“ in Land und Bund erhielten die Besucherinnen und Besucher. Denn der Gast sammelte als Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen unzählige Erfahrungen und Erlebnisse, die er in dem kurzweiligen Gespräch mit den Zuhörern teilte.
Rund 35 Jahre war Behrens an maßgeblichen Stellen von Politik und Verwaltung in Nordrhein-Westfalen tätig. So arbeitete er zunächst als Persönlicher Referent von Innenminister Dr. Herbert Schnoor, danach als Büroleiter des Ministerpräsidenten Johannes Rau und neun Jahre als Regierungspräsident in Düsseldorf. Ab 1995 wirkte er als Justizminister und von 1999 bis 2005 als Innenminister.
Den „Menschenfischer“ Johannes Rau zählt Behrens denn auch zu seinen Vorbildern. Dessen Motto lautete: „Versöhnen statt spalten.“ Stärker geprägt hat ihn jedoch der ehemalige Innenminister Dr. Herbert Schnoor, der ebenso wie er aus Niedersachsen stammte: „Er war mein Lehrmeister, mein Mentor und größtes Vorbild.“
Behrens, der promovierter Jurist ist, suchte als Sprecher der SPD-regierten Länder immer wieder mit dem CSU-Innenminister Günther Beckstein, dem Sprecher der unionsgeführten Länder in der Innenministerkonferenz, nach Kompromissen in der Innenpolitik.
Dem gegenüber standen viele Dinge, die Behrens auch nach Feierabend nicht losließen: „Ich habe viele belastende Ereignisse mit nach Hause genommen - zum Beispiel die schrecklichen fünf Polizistenmorde Anfang der 2000er Jahre. Das werde ich nie vergessen.“
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